Ellen Kushner 1955-
Tam Lin
The Unquiet Grave/Die Toten lass ruh’n
Tam Lin
Von dieser Ballade gibt es viele Versionen, deshalb unterscheidet sich die deutsche Übersetzung etwas von der Version im Buch. Ich habe mich von dieser Fassung inspirieren lassen.
Die „zween Augen aus Holz“ deutet man einmal als traditionelles Mittel, dem Menschen zu verwehren, die Welt der Elfen zu sehen oder auch dahingehend, dass die Elfenkönigin Tam Lin unmöglich machen will, die sterbliche Frau zu sehen, die ihn errettet hat.
O lasst euch warnen, ihr Mädchen all,
mit den kecken Augen und lockigem Haar,
geht mir nicht nach Carterhaugh,
denn es droht euch dort Gefahr!
Denn Tam Lin ist in Carterhaugh,
ist keine, sagt ihm Nein,
sie lassen ihm Bänder und Küsse zum Pfand
oder ihr Kränzelein …
Jung-Janet sitzt im Turmgemach
und kämmt ihr goldenes Haar:
„Grün sind die Blätter in Carterhaugh,
wünschte, ich wäre da.“
…
Ein Zauberland ist das Feenreich,
wie kein andres herrlich und gut,
doch am Ende von sieben Jahren,
zahlen wir bitt’ren Tribut.
…
„Erst kommen die Reiter auf schwarzem Ross,
danach die braunen her,
ich reite auf dem milchweißen Pferd
nahe der Stadt im Elfenheer.
Weil ich ein sterblicher Ritter war,
lässt man mir diese Ehr‘.“
…
Erst kamen die auf schwarzem Ross,
danach die braunen dichtauf;
sie lief rasch zu dem milchweißen Pferd
und fing den Reiter auf.
…
Zuletzt ward er in ihren Armen
wieder ein sterblicher Mann
sie schlägt um ihn den Mantel grün
und löst Tam Lin vom Bann.
…
Da sprach der Elfen Königin
– und ob sie zornig war! –
„Raubst mir den schönsten Ritter
aus meiner ganzen Schar!“
„Und hätt ich gewusst, Tam Lin“, sprach sie,
„wie du mir kränkst meinen Stolz,
ich hätt dir genommen die Augen dein
und hätt dir gegeben zween aus Holz!“
(…ich hätt dir gerissen aus deiner Brust,
das untreue Herze dein
und hätt‘ dir gegeben dafür
ein Herz von Marmelstein!“)
The Unquiet Grave/Die Toten lass ruh’n
Ich will tun für meinen Liebsten,
was eine Jungfrau mag,
will sitzen und weinen an seinem Grab,
ein Jahr und einen Tag.
Sechs Monde sind vergangen,
da ruft’s zu ihr herauf:
„Wer sitzt und weint an meinem Grab,
weckt mich vom Schlummer auf?“
Liebster, ich kann dich nicht lassen,
der Abschied fällt so schwer.
Nur einen Kuss von deinen Lippen,
nichts sonst ist mein Begehr.
„Meine Lippen sind kalt, Feinslieb,
mich deckt das grüne Gras.
Und mein linnenes Totenhemd
ist von deinen Tränen nass.
Dort in jenem Hain, Feinslieb,
wo du und ich gegangen,
die Blumen, die für uns geblüht,
sind verwelkt, vergangen.
Wann wir uns wiederseh’n, Feinslieb?
Wann wir uns wiederseh’n?
Wenn Blätter, die im Herbst gefallen,
grünen und neu ersteh’n.“
I’ll do as much for my true love
as any young girl may.
I’ll sit and mourn all by his grave
for a twelfemonth and a day.
When thus six months were gone and past
the dead began to speak:
„Who sits and mourns at my graveside
and will not let me sleep?“
‚Tis I my love, sits by your side
and will not let you sleep.
I crave but one kiss of your clay-cold lips
and that is all I seek.
„Green gras grows over my head, sweetheart,
cold clay is over my feet,
and every tear you shed, my love,
it wets my winding sheet.
Down in yonder grove, Sweetheart,
where you and I did walk,
the fairest flower that blossomed there
is withered on the stalk.
When shall we meet again, Sweetheart?
When shall we meet again?
When oaken leaves fallen from trees
turn green and spring again.“